Tile Talk – Wie sieht unser Gymnasium in Zukunft aus?

Im Rahmen des 120-jährigen Jubiläumsfestakts der Tilemannschule fanden sich in der schuleigenen Sporthalle am 30.05.2023 Expertinnen und Experten aus Politik, Schulverwaltung und Schulpraxis zusammen, um in einer gemeinsamen Gesprächsrunde der Frage nachzugehen: „Gymnasium zwischen Tradition und Innovation – quo vadis?“

Schulleiterin Regine Eiser-Müller begrüßte folgende Gesprächsgäste:

Michael KöberleLandrat des Kreises Limburg-Weilburg
Dirk FredlLeitender Schulamtsdirektor und ehemaliger Tilemannschüler
Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing Bundesvorsitzende des Philologenverbands
Ralph Hartung Schulleiter der Goetheschule in Neu-Isenburg
Hendrik Schiefner Schülersprecher der Tilemannschule
Thomas Jung Dirigent und ehemaliger Tilemannschüler
Dr. Daniel Mahrenholz Vorsitzender des Schulelternbeirats

Carmen Rosenstiel-Stahl, Studiendirektorin und Leiterin des Aufgabenfeldes II, übernahm die Moderation und setzte gezielte Gesprächsimpulse. Während in den Grußworten zuvor deutlich geworden war, welchen Herausforderungen sich das Gymnasium Tilemannschule in der Vergangenheit stellen musste, lag der Blick nun auf der Frage, welches Wissen ein Gymnasium in Zukunft vermitteln sollte, da die Anforderungen scheinbar immer umfassender würden.

Die Experten, allen voran Hartung und Lin-Klitzing, waren sich einig, dass die Studierfähigkeit und die dafür damit heute immer notwendigere Berufsorientierung vor dem Hintergrund der differenzierteren Berufswelt eindeutig im Mittelpunkt stehe. Dazu gehöre neben fachlichen Arbeitsmethoden auch weiterhin eine allgemeine Bildung, welche mit zusätzlichen Kompetenzen wie Medienbildung, Demokratieerziehung und gesellschaftlichem Engagement einhergehen müsse. Auch wenn sich heute Fachwissen immer schneller verändere und jederzeit überall abrufbar sei, sei das ein wesentliches Fundament, um mit der Komplexität umgehen zu können. Da seien auch Anwendungen wie ChatGPT, welche zurzeit auch die Politik beschäftigten, als Herausforderung zu verstehen, sie lediglich als Assistenten und nicht als dominante Denkmaschinen zu nutzen. Dass sich die Heranwachsenden trauen sollen, auch kritische Fragen zu stellen, betonte Fredl. Ebenso Jung, der auch vor dem Hintergrund seiner Berufstätigkeit als Dozent Schulabgänger betreut, forderte kreative Köpfe, welche es schaffen, mit vertrauten Werkzeugen immer wieder auf neue Probleme zu reagieren und den Mut haben, sich auszuprobieren und so ihre Fähigkeiten individuell nutzbar zu machen. Köberle betonte in diesem Zusammenhang, dass neben der Fachlichkeit auch eine Haltung und soziale Komponente immer und ggf. sogar immer mehr in den Aufgabenbereich der Schule falle.

Dass all diese Herausforderungen eine hohe Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft forderten, liege auf der Hand, so Lin-Klitzing, doch die heutige Schülergeneration leide unter vielen Ablenkungen und könne sich weniger konzentrieren. Auch Fredl ging in diesem Zusammenhang auf die Rolle der sozialen Medien ein, wo es schnelle Erfolgsergebnisse gebe, während man in der Schule zum Teil einen längeren Atem brauche. Dennoch dürfe man die sozialen Medien nicht aus der Schule außen vor lassen, sondern man müsse einen sicheren Umgang lehren. Ob sich das Schulsystem mit der Punktevergabe und den Anforderungen im hessischen Abitur den gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen müsse oder ob dies doch eher anders herum erfolgen sollte, wurde offen gelassen. Doch die Zahl von circa 30% Studienabbrecher pro Jahrgang, auch wenn von denen nur 18-25% von allgemeinbildenden Gymnasien kämen, zeige das Problem der mangelnden Leistungsfähigkeit und Motivation deutlich. Hier schlug Jung noch einmal einen Bogen zu seiner Beobachtung, dass Studierende ohne Fragen in der Universität säßen und auf die Beschulung warteten statt eigenes Erkenntnisinteresse mitzubringen. Also sei es Aufgabe der Schule, die Schülerschaft neugierig zu machen und ein „Feuer“ oder eine Leidenschaft zu entflammen.

Da folglich nicht nur die Erwartungen an Schule, sondern eben auch an die Schülerinnen und Schüler hoch seien, bevorzugten manche Heranwachsende den vermeintlich einfacheren Weg zum Abitur über berufliche Gymnasien. Dass es gerade am Standort Limburg viel Konkurrenz gebe, konnte keiner der Diskutierenden bestreiten. Umso mehr müsse sich eine Schule individuell profilieren und die Identifikation mit der Schule gestärkt werden, waren sich Köberle und Fredl einig. Dass dies gut gelinge, bestätigte Schülersprecher Schiefner, der an dieser Stelle das Engagement der Lehrerschaft lobte sowie unterrichtete Fächer wie Griechisch hervorhob, das nur an 15 Schulen hessenweit angeboten werde. Neben der Fächervielfalt bekräftigte auch Elternsprecher Mahrenholz, dass die Tilemanschule gut fürs Leben vorbereite.

So endete der TileTalk mit einem guten Zeugnis für das breite Angebot einer engagierten Lehrerschaft und Schulleitung sowie gleichzeitig mit dem Arbeitsauftrag, die Schülerinnen und Schüler individuell zu begleiten, Angebote zu machen und im Besonderen Freiraum zu gewähren, dass sie sich ausprobieren können. Mache die Tilemannschule diese Hausaufgaben, so könnten dann irgendwann weitere 120 Jahre Schulgeschichte gefeiert werden.